Nagual

Mittwoch, 9. November 2016

Warum die Pirahã gute Buya wären

In den letzten Wochen befasste ich mich fast ausschließlich mit geistigen Werkzeugen und Materialien. Deshalb gibt es nichts "greifbares" zu berichten. Dafür jedoch eine neue Erkenntnis, die mir bei der Ausformung der Buya-Sprache und ihrer Kultur sehr weitergeholfen hat.


Über die Entstehung der menschlichen Sprache und ihrer Formen gibt es zahllose Theorien. Wie in allen Bereichen der Wissenschaft halten sich auch hier viele Ansichten hartnäckig, die man nur schwer verifizieren oder falsifizieren kann. Dadurch sind sie zwar nicht glaubhafter, aber sie gelten dennoch landläufig als allgemein anerkannt.

Wer sich mit indigenen Völkern beschäftigt, erfährt zwangsläufig etwas über sich selbst. Die Sprachen der Ureinwohner Nordamerikas sind gute Beispiele für die Komplexität und Vielfalt, die aus wenigen Ursprüngen entsteht.

Lange Zeit vernachlässigte man diesbezüglich leider die Erforschung noch lebendiger Völker, wie sie in den tiefen Urwäldern Amazoniens vorkommen. Nicht nur Holzfäller und Goldsucher bedrohen und bestehlen diese Völker, auch unvermeidbarer Kontakt zur "zivilisierten" Welt verfälschen durch ihre Einflüsse die Lebensweise jener indigenen Völker.

Erst jüngst, seit etwa 6 Jahren, wird das Interesse tatsächlich größer und die Ergebnisse werden kontrovers diskutiert. In der Sprachwissenschaft ist das Auftreten einer Sprache, wie der der Pirahã, ein aufrüttelndes Ereignis wie die Quantentheorie in der klassischen Physik.

2008 veröffentlichte der Autor Daniel Everettsein Buch "Das glücklichste Volk der Welt", was durchaus kritisch betrachtet werden sollte. Jedoch bietet es einen Erstaunlichen Einblick in diese Welt. Auch wenn der Autor nicht als unvoreingenommen gelten kann.
  • Die Sprache der Pirahã beinhaltet demnach keine Möglichkeit der Rekursion. 
  • Es gäbe nur zwei Zahlworte ("wenige" und "viele"). 
  • Es fehle jede Vergangenheits- und Zukunftsform - es existiere nur die Gegenwartsform


Rekursion?
Von was redet der Mann, bitteschön?
Nicht ohne Grund habe ich für die Buya das Sierpinski-Dreieck als Titelbildnis des Sammelwerks gewählt. Wenn es etwas gibt, dass Buya lieben, dann komplexe Zusammenhänge die in die Unendlichkeit führen... also eigentlich nichts anderes als ein klassisches Fraktal. In jedem Schritt erzeugen sich Einzelteile, die exakte Duplikate des vormals größeren Teiles sind. Sowas lässt sich mathematisch glänzend ausdrücken und findet, einmal begonnen, kein Ende. Herrliche Sinnbilder entstehen dadurch - ein Mystizismus der Zahlen...
Und dass... ist Rekursion. (Salopp gesprochen)

In der Sprache sind das Konstruktionen wie: "Lesen Sie diesen Satz nicht!" - oder - "Wird mit jeder Wiederholung länger' wird mit jeder Wiederholung länger."
 Im eigentlichen Sinn gebraucht man dies aber in den üblichen verschachtelten Sätzen, die wir alle so lieben und tagtäglich verwenden. Unsere Sprache(n) sind nun einmal rekursiv aufgebaut.

Das alleine wäre schon eine Sensation für die Linguistik, wenn da nicht noch mehr wäre.

Eine Sprache ohne Zahlworte, ohne Verwandtschaftsgrade, ohne Zukunft und Vergangenheit.Undenkbar nach der allgemein anerkannten Theorie des Aufbaus gültiger menschlicher Sprache.


Eines meiner größten Probleme als Schöpfer eines Katzenvolks war immer die Sprache und das Weltbild. Ich wollte nie irgendetwas zusammengewürfeltes oder infantiles benutzen. In der Gegend herum zu stolzieren und "miaumiau miau" zu machen, entspricht nicht meiner Vorgabe.
Sprache definiert das Selbst. Sie ist Ausdruck der Welt in der das Volk lebt und existiert. Ich zerbreche mir teils stundenlang das Hirn über solch vermeintliche Kleinigkeiten wie etwa Ausdrucksformen von Verwandtschaften, Zahlenmengen und Zeitformen.

Die Systematik der Maya-Dialekte hilft da etwas, denn hier sind Kombinationen das kleinste Problem. Dafür benötigt man dann aber gewisse Regeln, die die Aussprache definieren und das macht es umso dramatischer, wenn man einen Fehler begeht. Sofort sind alle Überlegungen obsolet geworden und das Kartenhaus der vormals "guten Idee" bricht in sich zusammen.

Wenn es aber funktionierende soziale Strukturen in der "echten" menschlichen Welt gibt, die mit weit weniger auskommen als die Buya, dann ist demzufolge meine Überlegung generell nicht falsch, sondern sogar überdurchschnittlich erfolgversprechend korrekt gewählt.
In der echten Welt existiert auch jene ungezwungene Glückseligkeit, die als angestrebtes Optimum betrachtet wird. Ein Zustand der Sorglosigkeit, da es nichts zum darum sorgen gibt. Harmonie aus der Einfalt, die nicht bedingt ist, sondern erwählt. Faszinierend, diese Beschränkung, aus unserer Sicht heraus, in einer Welt, die nur Wachstum und Überfluss kennt.

Im Grunde baue ich das Haus vom Dachstuhl abwärts auf.
Zuerst war der Buya und dann die Welt... wer hätte auch ahnen können, dass aus einer spontanen Affinität zum LARP eine Fantasiewelt entsteht, die mir nunmehr zum Universum heranwächst und überall neue Knospen ausbildet.
Mittlerweile messe ich dem Konstrukt großen Wert bei. Es bietet dieses faszinierende Gefühl eines leeren Blattes, dass nur auf die Füllung wartet. Im schlimmsten Fall wird es zum Strichmännchen, im besten denkbaren Fall, wird es ein Meisterwerk... vermutlich aber irgendwo dazwischen.

Mir wurde innig geraten und mit Nachdruck beteuert ich solle an den Buya festhalten und mein Augenmerk darauf legen - dem leiste ich jetzt Folge. Die Romanfassung wächst, wenn auch schmerzhaft langsam und teils Satz für Satz.

Diese Erkenntnis über die Pirahã hat mir insofern geholfen, dass ich zum einen Sicherheit gewonnen habe, dass auf Erden mehr möglich ist, als uns der Augenschein vermittelt; zum anderen, dass ich ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit gefunden habe, da die Pirahã ähnlich zufrieden und glücklich leben, wie ich es meinen Buya angedacht habe.


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