Nagual

Dienstag, 25. August 2015

Der gestiefelte Kater

Die ersehnte Con rückt näher und meine Kapazitäten schwinden, deshalb habe ich mich entschlossen Nagual lediglich mit Stiefeln zu versehen. Ich gehe ohnehin davon aus dass es bescheidenes Wetter geben wird - der Sommer ist ja vorbei und in einem Monat ist tiefster Winter.

Die Pfotensocken habe ich auf die hinterste Prioritätsstufe gesetzt, weil die Anpassungsarbeiten sehr viel Zeit rauben und sie als solches "nur" den Effekt erzeugen, dass Nagual Zehen hat. Sie schützen also kaum vor der Witterung und wirken nur "barfuß" oder in Sandalen richtig gut. Deshalb habe ich nun begonnen feste Stiefel aus Hirschleder zu schustern.

Angemerkt sei, dass ich noch niemals Schuhe, geschweige denn Stiefel, gemacht habe. Alles was ich über das Schusterhandwerk weiß, habe ich aus einem Buch von 1914 über das hausmännische ausbessern von Schuhwerk und diversen Beobachtungen traditioneller Schuhmacher... grau ist alle Theorie.

Der altdeutschen Schrift mächtig und mit viel Mut habe ich mein Werk nahezu vollendet und berichte jetzt schon einmal davon - hauptsächlich weil ich kaum noch Gefühl im linken Zeigefinger habe und die Nadel nicht mehr halten kann.

Wie baue ich einen (Buya)Stiefel?
Erlege einen Hirsch, ziehe ihm die Haut über die Ohren und gerbe diese; färbe die Haut im Faß zur Gänze durch und beginne dann wie folgt mit dem Stiefel:

Material
  • 1 Hirsch, vorzugsweise brutal und mir Freude am Schmerz erwürgt, aber schlicht erschossen und weidmännisch aufgebrochen geht notfalls auch.
  • 2 Leisten in Deiner Schuhgröße. Vorzugsweise aus Südtiroler Rotbuche geschnitzt und vom Schustermeister Deines Vertrauens auf spezielle Weise Deinem besonderen einzigartigen Fuß angepasst.
    Oder bei Ebay für 9,99 gekauft, geht auch.
  • Eine ordentlich spitze Ahle. Natürlich nur die teuerste die Du im Internet käuflich erwerben kannst. Ich Empfehle die aus vergoldetem Breitmaulnashornknochen.
  • Stumpfe Nadel, Leinenzwirn und Latexmilch als Kleber. Ordinärer Leim (kein Weißleim, der ist nicht flexibel wenn trocken) tuts auch. Oder gleich Kövulfix, dann kann man die Klebestelle an den Enkel vererben.
  • Nägel, Zange, Hammer, irgendeine Unterlage in die man stechen kann und die dick genug ist damit man sich die Ahle nicht in den Schenkel rammt.
  • Eine scharfe Schere und ca. 1,4kg (funktionsfähige) Hirnmasse
Was Du nicht brauchst
  • Ratschläge aus dem (Larp-)Net - suche erst gar nicht. Sei einfach froh das Du das hier gefunden hast und spare Dir den anderen Mist, das habe ich schon für Dich erledigt und kann Dir mein Endergebnis mitteilen: Alles dummes Gefasel und quirlige Scheiße!
  • Angst - ist nämlich nicht nötig. Jeder der an Deinem Ergebnis rum mault, kann Dich so oder so nicht leiden. Da ändert es auch nichts, wenn Du den perfektesten Schuh der Menschheitsgeschichte baust.
  • Teures Leder - mit ein bisschen Suchen findest Du sicher schöne Stücke, für bezahlbares Geld. Ich bin auch nicht Krösus und es klappt. Versuch es mit Zeug das kein modebewusster Mensch will... Jagdleder von Hirschen und Elchen etwa, mit Schußlöchern und Narben. Umso "rustikaler" sieht Dein Schuh aus.
 Der Bau 
Mein Schuh soll ein Futter aus Fleece haben. Das Zeug ist günstig, strapazierfähig und hält ordentlich warm.

Auf den Bildern siehst Du wie ich zuerst am Futter geübt habe, was ich später beim Leder genauso gemacht habe.

Zuerst legt man das Oberteil des Schuhs so auf den Leisten, dass es so faltenfrei wie möglich sitzt. Insbesondere an der Spitze ist das recht verzwickt. Deshalb benutzt man Nägel um den Stoff an der Sohle fest zu zwicken - also Nägel rein kloppen.

Das es an der Sohlenseite einige Falten gibt braucht einen hierbei nicht groß zu stören, solange es keine Kraterlandschaft wird, die quetschen sich schon platt. Aber an der "hübschen" Oberseite soll natürlich keine Falte liegen.

Es ist normal dass man ständig Nägel reinschlägt und wieder rauszieht. Ich habe in dem Buch gelesen dass man keine Skrupel haben soll und lieber zu viele Nägel als zu wenige nutzen möchte... ein Ratschlag, den ich nur bekräftigen kann.

 Alles überstehende Material wird dann möglichst bündig abgeschnitten und man erhält einen oben herum angenehm bespannten Pseudo-Schuh.

Das Segment in der Mitte der Sohle wird ebenfalls mit Futter besetzt sein - es gibt hier zig Bauformen. Die gängigste ist das Aufnähen einer Zwischensohle, auf die eine dämpfende Polsterlage folgt, auf die dann eine Sohle folgt die entweder bereits die Laufsohle darstellt, oder aber noch eine extra Sohle drüber kommt. In den Schuh kommt noch eine Sohle, jene, auf der man letztlich steht.

So ein Schuh ist also ein ganz schöner Schichtkuchen...

Man darf das Ganze jetzt nicht mit einem modernen Schuh, oder einem klassischen rahmengenähten Schuh verwechseln. Im wesentlichen handelt es sich hierbei eher um eine rustikale Abart eines Herrenschuhs. Zumindest passte das Bild im Buch zu meiner Methode.

Will man nun besagte Zwischensohle aufnähen, muss man zuerst die Sohle auf den Leisten bekommen, ohne die mühevoll gezogene Oberseite zu lösen.

In vielen Fällen wird das Oberteil mittels Band oder Gurt gehalten, oder aber in einen Spanner eingelegt... das alles habe ich nicht und im Buch wurde es so beschrieben:

"Der nun notwendige Schritt bedarf der gleichzeitigen Aufbringung von Zwischensohle und Entfernung der haltenden Nägel. Hierzu drehe man den Leisten auf dem Bock und greife mit der Linken das Oberleder, halte es nahe des Zwicks mit festem Griff und löse mit der Rechten den Zwick. Darauffolgend rollt der Daumen der Rechten die Zwischensohle über und die Finger der Linken halten nunmehr beide zugleich. Mit der Rechten platziert man den Nagel und treibt diesen mit kräftigen zügigen Schlägen in den Leisten ein."


Dem habe ich nichts wirklich sinnvolles hinzuzufügen.

Hat man es geschafft diese Sohle auf dem Leisten zu befestigen, sitzt das Ding so, wie es vernäht sein soll.

Ich habe neben meinem Futter einer Zwischensohle aus Ziegenleder angebracht - einfach weil ich damit der Übung halber anfangen wollte zu nähen.

Die Sohle habe ich mit einem einfachen Schlingstich venäht. Also der simpelste Stich den man sich vorstellen kann... wie der Überwendlich, nur eben mit Schlaufe.

Da ich in einigen Bildern und Sendungen in der Glotze schon sah, wie auch bei Schuhen mit Schablonen gearbeitet wird, habe ich mir kurzerhand aus Panzerband und Frischhaltefolie eigene Schnittmuster verfertigt.

Mein Schuh besteht aus Vorder- und Rückseite. Also Spann und Hacke sind zwei Teile. Ich habe mir diesen Schnitt von englischen Schuhen abgeschaut, die ich auf einem Ölgemälde gesehen hatte.

 Im Grunde geht es beim Lederschneiden ja darum, dort zu schneiden wo man es von der Struktur des Leders her am liebsten hätte, aber auch so wenig wie möglich Verschnitt zu haben. Da sind solche Muster sehr praktisch.

Also dann anzeichnen, nochmal nachmessen, dreimal im Kreis drehen und dann ausschneiden.

Letztlich näht man beide Stücke einfach aneinander. Ich hätte das ganze auch einfach aus einem Stück schneiden können - aber wieso einfach, wenn es auch kompliziert geht, he?

In Wirklichkeit wollte ich auf diese Weise testen, wie sich das Hirschleder denn nun verarbeiten lässt. Da bietet eine solche Naht ganz gute Möglichkeiten.

Das Stechen mit der Ahle und anschließende Vernähen erwies sich als sehr simpel, um nicht zu sagen, spielend leicht. Das Leder ist sehr geschmeidig und von daher eigentlich wie ordinärer Stoff zu sehen... mit vegetabil gegerbetem wesentlich härterem Rind wäre das sicher anders geworden. Aber da ohnehin so gut wie alle Leder chromgegerbt sind, die man so sieht, ist das Zeug ein guter Einstieg gewesen.

Nun, der Vorgang ist im Grunde identisch. Auf den Bildern sieht man die Dämpfsohle aus grünem Lodenstoff hervor blitzen. Ich hatte noch Reststücke vom Poncho über.

Man passt also wieder auf Falten auf, zieht das Leder hübsch stramm, aber nicht zu stramm dass es speckig wird, über den Leisten und zwickt und zwickt und versetzt die Nägel wieder und irgendwann - ist das Ding glatt. Beim zweiten Schuh brauchte ich schon wesentlich weniger Nägel und Zeit. Es ist also reine Übungssache. Erinnert mich ans Schweifen, aus meiner Lehrzeit.
Man sitzt ewig dran und versucht Präzision zu erlangen und letztlich muss man einfach nur schnell und zügig arbeiten, dann fließt alles fast von selber.

Klingt jetzt sicher irgendwie erhaben, wenn ich das so schreibe... aber es ist wirklich nicht so schwer. Man sollte eben einigermaßen treffsicher hämmern können, aber das hab ich schon im ersten Lehrjahr schmerzhaft erlernen dürfen - da bin ich dem Hobbyisten wohl voraus.

 Ja nun und dann geht es ans Ahlen und Nähen. Ich hatte es erst mit einer Schusterahle versucht, aber die war mir zu grob und ihre Biegung war mir eher hinderlich. Also habe ich die Rundahle genommen und möglichst eng gestochen. Am Anfang passierte es mir noch, dass ich zu vorsichtig war und viel zu dicht am Rand stach, so das dass Loch ausriß. Aber das passiert eben zwei- dreimal und dann weiß man es fürs Leben.

 Vor einer halben Ewigkeit habe ich mal ein Segeltuch geflickt - das ist im Grunde identisch. Mit einer stumpfen Nadel klappt das Vernähen gut. Sicherlich hätte ich mich in irgendwelchen Nahtkünsten verdingen können, aber wozu? Nach eingehender Prüfung bin ich von der Haltbarkeit des Schlingstichs überzeugt.

Dann sieht das Ding schon fast einem Schuh ähnlich. Die Hacke wird dann geschlossen, wobei man das auch später machen kann. Ich habe beim zweiten Schuh ohne Leisten vernäht, was wesentlich einfacher ging. Aber beim Ersten war ich noch vorsichtiger.

Wenn man den Schuh dann vom Leisten ziehen muss, rutscht einem erstmal das Herz in die Hose, weil man dem Ding ordentlich Zug zumuten muss - er muss ja da runter und umgekrempelt werden.
Letztlich war meine Sorge aber unbegründet und er blieb heil. Auch nach dem zweiten und dritten Auf- und Abziehen ist er noch intakt.

Auf den Bildern ist zu sehen, wie ich den Schaft anbringe. Zum Übergang fixiere ich die Lederstücke auf der Glattseite mit ordinärer Latexmilch, wie ihr sie sicher von Larpwaffen kennt. Hält super. Auf der glatten Seite nicht ganz so enorm, wie auf dem Velour, aber ausreichend um die Position zu bestimmen und anschließend zu nähen.

Man kann auch Lederkleber nehmen, sprich: ordinären PU Leim, der braucht aber, wie man es von Leim kennt, Druck zum Härten und Zeit. Beides war mir zu umständlich für diese Verbindung.

Auf dem letzten Bild ist der aktuelle Stand der Stiefel zu sehen. Sie haben noch eine Krempe aus Elch bekommen und Zierstück über dem Einschnitt auf dem Spann.

Wer jetzt einwirft: "Ey boah, die Sohle wird aba nich lang halten, män!" dem kann ich entgegenen: "Jo Alda, aber da kommt auch noch watt Gummi drüba und dann hält dat dank Kövulfix dann ewiglich so!"

Außerdem mangelt es mir noch an einem kleinen aber feinen Absatz,

(nein nicht so ein Absatz)

da sich das Ganze dann viel sinnvoller latscht... jenen Absatz nagele ich einfach drauf, aber natürlich von innen nach außen, weil sonst hat man irgendwann nen Nagel in der Ferse.

Schnürung kommt auch noch dran - wobei ich mich noch frage ob ich Lederriemen oder gedrillte Jutekordel benutze. Ist wohl Geschmackssache und ich tendiere zur Jute - ist so schön öko-trendy-hip.

Ich bin mir sicher das sich jetzt irgendwelche Authenttizitätsfanatiker vor Schmerzen auf dem Teppich bzw. Parkett winden und krampfhaft versuchen ihre Lungen mit Luft zu füllen... aber mir gefallen meine Stiefel und überhaupt alles was ich gemacht habe und alles übrige ist mir ziemlich egal.

Wenn ich Dir mit dieser Darstellung weiterhelfen konnte und Du vielleicht auch anfängst Schuhe zu fabrizieren, kannst Du mir ja Dein Ergebnis zeigen. Würde, mich zumindest, sehr freuen. Verzweifle nicht und habe Mut, dann klappt es auch. Wenns ein ehemaliger Fliegzeugmechaniker kann, kannst Du das dreimal.

In diesem Sinne,
Horrido!

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